«Leiden vermeiden statt teuer behandeln»

Das MP Expertengespräch mit Martina Roffler, Leiterin Dienstleistungen, Rheumaliga Schweiz.


Frau Roffler, in der Schweiz werden verhältnismässig mehr Hüft- und Knie-Gelenkersatz-Operationen durchgeführt als sonst auf der Welt (1). Die Rheumaliga Schweiz will diesem Umstand entgegentreten, indem sie hilft, das nationale Angebot «GLA:D Arthrose» (2) bekannt zu machen. Was beinhaltet dieses Angebot?

GLA:D Arthrose ist ein standardisiertes, evidenzbasiertes und unterdessen praxiserprobtes Programm für Betroffene einer Knie- oder Hüftarthrose. Es beinhaltet eine Kombination aus Patientenedukation und einem gezielten, individuell angepassten Übungsprogramm. Die Rheumaliga Schweiz setzt sich dafür ein, dass «GLA:D Arthrose» zeitnah nach der Diagnosestellung einer Arthrose zum Einsatz kommt und den Betroffenen hilft eine verbesserte Lebensqualität zu erreichen.

Die internationalen Leitlinien in der Behandlung von Knie- und Hüftarthrose sprechen eine klare Sprache, und wir wissen heute, dass die Kombination aus Patientenedukation und gezieltem, individuell angepasstem Übungsprogramm gute Effekte zeigt und in gewissen Fällen auf eine Operation verzichtet werden kann.


Wie erreicht die Rheumaliga Schweiz die Betroffenen?

Die Rheumaliga Schweiz ist über die kantonalen/regionalen Ligen überall in der Schweiz physisch präsent. In Ergänzung dazu finden Betroffene auf unserer Webseite www.rheumaliga.ch, in zahlreichen kostenlosen Publikationen oder unseren Social Media-Kanälen ein umfangreiches Angebot an Wissen rund um die Krankheitsbilder und Therapieoptionen. Für Absolvent:innen des GLA:D-Programms gibt es Bewegungskurse [MR1] [E2] [MR3] , die den erzielten Effekt unterstützen. Die von der Rheumaliga Schweiz organisierten öffentlichen Gesundheitstage vermitteln ebenfalls wertvolle Impulse an alle Interessierten.


Seit zwei Jahren unterstützt die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz in Kooperation mit dem Bundesamt für Gesundheit BAG, im Rahmen der PGV-Projektförderung das Angebot «GLA:D Arthrose». Gibt es bereits Resultate? 

Bis Ende 2021 absolvierten 2076 Personen das GLA:D-Arthrose-Programm. Die Erfolge bei Kniearthrose sind leicht höher als jene bei Hüftarthrose. Nach Abschluss des Programms zeigten die Teilnehmenden im Durchschnitt eine Schmerzreduktion um 25% (Hüft) respektive 27% (Knie), und der Konsum von Schmerzmitteln sank um 21% (Hüft) beziehungsweise 25% (Knie). Aus Sicht der Rheumaliga Schweiz das wichtigste Resultat: Die Lebensqualität stieg um 16% bis 24% (3). Entsprechend waren über 90% der Teilnehmenden «sehr zufrieden» oder «eher zufrieden» mit dem Programm.


Das Thema Prävention fristet in der Schweiz noch immer ein Schattendasein. Was muss sich aus Sicht der Rheumaliga Schweiz ändern, damit sich das verbessert?  

Die Anreize unseres Gesundheitssystems sind nicht auf Prävention ausgerichtet. Mit den aktuell unter PGV (Prävention in der Gesundheitsversorgung) laufenden und unterstützten Projekten hat sich aber ein kleiner Türspalt geöffnet. Wir sehen das bei unserem Rheumaliga-Projekt «KOMPASS» zur Selbstmanagement-Förderung von Rheumabetroffenen: Die Vision ist da, die Idee wird begrüsst, aber die Möglichkeit einer nachhaltigen Finanzierung bleibt schwierig. Wie hilfreich wäre eine Verankerung von Präventionsleistungen auch im KVG!



(1)        https://www.medinside.ch/leiden-vermeiden-statt-teuer-behandeln-20220906

(2)        www.gladschweiz.ch/arthrose

(3)        https://gladschweiz.ch/wp-content/uploads/2022/07/Glad_Jahresbericht_DE_2021.pdf



Auf der Website www.rheumaliga.ch findet man GLA:D, wenn man glad eingibt - ohne Doppelpunkt.


Martina Roffler, ist dipl. Physiotherapeutin und Leiterin Dienstleistungen auf der nationalen Geschäftsstelle der Rheumaliga Schweiz. Als Vertreterin der Patientenorganisation ist sie seit Beginn im November 2018 in der Interessengruppe GLA:D Schweiz dabei, wo sie die Interessen der Betroffenen – der eigentlichen Zielgruppe, die von GLA:D profititeren soll - vertritt.