Eine Allianz zwischen der stationären und ambulanten Versorgung

Dominik Walter, M.A. Leiter Fachbereich Med. Prozessmanagement, RHÖN-KLINIKUM AG, Bad Neustadt, Deutschland


Bei der Gesundheitsversorgung stellen wir, in Deutschland wie auch in der Schweiz, unterschiedliche Entwicklungen zwischen den ländlichen Regionen und urbanen Gebieten fest. Schlechte Erreichbarkeit und Unterversorgung versus Unübersichtlichkeit und Überversorgung sind die dazugehörigen Stichworte. Das Campus-Konzept der RHÖN-KLINIKUM AG will diesen beiden Entwicklungen entgegenwirken. Wie gelingt Ihnen dies? Unser Campus Konzept steht für eine moderne, innovative medizinische Vollversorgung. Im aktuell entstehenden Neubau am Pilotstandort Bad Neustadt a. d. Saale (D) werden ambulante und stationäre Angebote an einem zentralen Ort vereint sein. Auf diese Weise finden die Patienten mit unterschiedlichsten Gesundheitsbedarfen eine einzige Anlaufstelle. In der Mitte des Campus steht das Zentrum für ambulante Medizin. Dieses ist als Koordinierungs- und Steuerungsplattform aufgebaut und erleichtert eine fachliche und valide Ersteinschätzung jedes Patienten. Im Ergebnis gibt der Bedarf des Patienten die Versorgungsstufe und den Takt vor. Der Campus wird auch als ein Ort der Begegnung gestaltet, angeboten werden nicht nur medizinische Kernleistungen, sondern auch erweiterte Gesundheitsdienst- und Serviceleistungen, wie beispielsweise Apotheke, Sanitätshaus, Fitnesscenter, Gastronomie sowie Beratungsstellen.


Der Mangel an medizinischen Fachkräften ist auch in den ländlichen Regionen, wie z. B. die Rhön, ein großes Problem. Mit welchen Ansätzen wollen Sie Ärzte und weitere Fachkräfte für eine Zusammenarbeit gewinnen? Von großer Bedeutung ist die Vernetzung mit Ärzten und Gesundheitsdienstleistern in der Region. Jeder konzentriert sich auf seine Kernleistungen, während die Tertiär- und Sekundärprozesse zusammengefasst und idealerweise ausgelagert werden. So entsteht eine hohe Professionalität und Identität mit der Tätigkeit und den Abteilungen/Institutionen. Die Akteure für unseren Campus können als eigenständige Partner oder auch in abgestuften Kooperationsformen in das Gesamtkonzept eingebunden werden. Durch die Größe des Standorts und Vielfalt der Stellenprofile ist die  RHÖN-KLINIKUM AG als Arbeitgeber in der Lage, auf unterschiedlichste Karrierewege und Lebensplanungen eingehen zu können. Auch Wechsel z. B. zwischen einer ambulanten oder stationären Tätigkeit ist so einfacher möglich. Diese Vielfalt an Kooperationsmöglichkeiten bildet ein wichtiges Standbein unseres Campus-Konzeptes, welches wir als ein Zukunftsmodell für den ländlichen Raum verstehen.


Wie unterstützt die Digitalisierung das Campus-Konzept? Zum Einsatz kommen beispielsweise kognitive Assistenzsysteme, die die Patientenaufnahme und -navigation optimieren und die Behandlungsprozesse wirtschaftlich signifikant beeinflussen. Für die Patienten bedeutet dies eine höhere Dienstleistungsqualität, die den heutigen Erwartungen entgegenkommt. Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist die eigens entwickelte elektronische Patientenakte, die eine bestmögliche Kommunikation und Vernetzung zwischen Kliniken, niedergelassenen Ärzten und den anderen Campusdienstleistern gewährleistet. Telemedizinische Applikationen begleiten einzelne Patienten bis nach Hause (z. B. CardioSecure) und erhöhen die Patientensicherheit in der Versorgungsregion.


Mit dem Campus-Konzept wollen Sie den Patienten eine überregionale, ganzheitliche Versorgung ohne Rationierung anbieten. Welche Angebote sind geplant und wie wollen Sie  das Problem der unterschiedlichen Vergütungsarten angehen? Wir bieten eine Gesundheitsversorgung aus einem Guss, diese umfasst die ambulante und stationäre Akut- und Reha-Versorgung. Die Langzeit-Versorgung wird mittels ambulanter und stationäre Pflege sowie altersgerechten Wohnkonzepten sicherstellt. Ergänzt werden diese Leistungen mit Angeboten aus den Bereichen Prävention, Gesundheitsmanagement, aber auch Tourismus und Wellness. Die unterschiedlichen Vergütungssysteme sind ein wirkliches Problem. Alle Experten sind sich aber einig, dass pauschale und regional anpassbare Gesamtbudgets im Bereich der Gesundheitswirtschaft, die Zukunft darstellen. Deshalb unterstützen wir intensiv alle Arbeiten an solchen Rechen- und Bezahlmodellen.

 

Herr Walter, was ist Ihr persönlicher Tipp für Leistungserbringer in der Schweiz, die Konzepte der integrierten Versorgung realisieren wollen? Die Schweiz ist ein sehr schönes Land und das Gesundheitswesen darf man im positiven Sinn als „außerordentlich“ beschreiben. Meine persönliche Empfehlung an die Leistungserbringer wäre, nicht auf den Staat zu warten, sondern eine eigene unternehmerische Dynamik zu entfalten, die überzeugen kann. Sowohl Alleingänge als auch Besitzstandswahrung erhalten Misstrauen, Unwirtschaftlichkeit und kleinteilige Strukturen. Ich wünsche mir für die Schweiz, dass alle Entscheider und Meinungsbildner an einem besseren Ergebnis interessiert sind.


Dominik Walter hat Betriebswirtschaft in Gießen mit den Schwerpunkten "Gesundheits-/Personalwesen" (2010) sowie "Krankenhausprozessmanage-ment" (2012) studiert. Seit 2008 ist er bei der RHÖN-KLINIKUM AG als Manager tätig. Derzeit leitet er die Fachabteilung "Medizinisches Prozessmanagement" innerhalb des Vorstandsbereichs Medizin.



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